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Mi
Perú -> Armut
Als ich in Lima,
bzw. Chachapoyas angekommen bin, hatte ich große Probleme,
wirklich einzuschätzen, wer wirklich arm ist und wer
nicht. Während der Reise durch die Dörfer hatte
ich die Möglichkeit, in viele Häuser hineinzuschauen
und konnte so einen kleinen Einblick gewinnen, was es heißt,
materiell arm zu sein. Trotz allem könnte ich immer noch
niemandem sagen, ob die Person, die mir jetzt gegenüber
steht, arm oder reich ist. Vom ersten Eindruck her war in
Lima und Chachapoyas fast alles arm. Die Häuser sind
kleiner als in Deutschland, die Straßen sind schlechter,
das Gesundheitssystem und alles ist schmutzig. Das war mein
erster Eindruck. Aber die Leute sind dennoch fröhlich
und gut gekleidet, auch wenn auf dem Hemd vielleicht „Odidas“
statt „Adidas“ steht.
Während unserer Reise durch die Dörfer bekamen wir
einen ersten Einblick, worin sich arme und reiche unterscheiden.

armes Haus oder reiches Haus?
In einem Dorf waren wir über Nacht beim lokalen Kokakönig
untergebracht, ein Mann, der in der Stadtverwaltung sitzt
und für den ein großer Teil der Bevölkerung
des Dorfes arbeitet. In seinem Anwesen gab es weder fließendes
Wasser noch elektrisches Licht. Aber das Dach war mit Ziegeln
gedeckt, mit roten Ziegeln, den teureren. Der große
Innenhof und die meisten Wände waren zementiert, die
geräumige, helle Küche ebenfalls. In einer speziellen
Rinne wird das Feuer gemacht, über dem gekocht wird,
durch großzügige Ausstattung mit überdachten
Rauchabzügen entsteht kein Rauch in der Küche und
der Regen kann nicht eindringen. Eine Vielzahl von Töpfen,
für jeden Zweck, ist auf der ausgedehnten Arbeitsfläche
gestapelt.

arme Leute oder reiche Leute?
Das Gegenstück: Abendessen im Haus einer Familie. Es
gibt zwei Zimmer, eines davon fungiert als Küche. In
der Mitte der Küche stehen zwei Bänke, wenn Besuch
kommt, fungiert eine der Bänke als Tisch. An der Wand
hängt ein Topf, der andere Topf steht auf 3 Steinen,
die ein Dreieck bilden, in dessen Mitte das Herdfeuer brennt.
Die Wände sind schwarz gefärbt vom Rauch des Feuers,
der durch die spärlichen Ritzen eher schlecht als recht
nach aussen dringen kann. Wegen der tiefen Nachttemperaturen
gibt es kein Fenster, ein Glasfenster steht gar nicht zur
Debatte. Im düstren Licht einer einzigen Kerze konnten
wir die Familie an die Wand gedrängt im Raum verteilt
sehen und sie konnten wiederum uns sehen, die wir, anstatt
das, was die Familie uns als großes Geschenk zum Essen
serviert, zu essen, aus Angst, das Fleisch könnte nicht
ganz durchgebraten sein, nur Reis und Suppe essen und das
Fleisch kaum anrühren. Und während die Wände
aus Zement auf ewig halten, werden die Lehmwände zerschmelzen,
wenn Regen durch das Dach dringt.
Wie weit die Armut reicht, konnten wir auch in der Kirche
sehen, wo sich die Vertreterin der Regierung wie selbstverständlich
in die ersten Reihe in die Mitte setzte.
von armen oder
von reichen Leuten?
Besonders sichtbar
ist es auch an den Zähnen. Die Einen haben kaum noch
welche oder sogar gar keine mehr, die Anderen glänzen
und blitzen nur so von Gold und Silber, wenn sie den Mund
öffnen. Und wenn man bei manchem die Füße
in den Sandalen aus Autoreifen sieht, glaubt man gar nicht,
dass die Person noch laufen kann, die Zehen schwarz, die Nägel
kann man nur noch erahnen, oftmals gezeichnet von Narben unbehandelter
Wunden.
Das aber, was vielen einen höheren sozialen Status verleiht,
sind Verwandte in Lima, oder mindestens in Chachapoyas, bzw.
die Tatsache, eine Zeit dort gewesen/ gelernt/ studiert/ gearbeitet
zu haben.
arme Kinder oder reiche Kinder?
Anfangs dachte
ich, Strom- und Wasserversorgung würden Armut ausmachen.
Zum Teil ist es auch so. Aber Armut ist viel Vielschichtiger.
Ich kann nicht sagen „ich habe die Armut gesehen“
und das werde ich vermutlich auch nach meinem Dienst nicht
sagen können. Aber ich glaube, ich nähere mich dem
langsam an und denke, dass mich dies durch meinen Dienst begleiten
wird.
Damian Raiser, Chachapoyas, Peru, November 2004
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